Ein umfangreiches Zeugnisverweigerungsrecht für alle Sozialarbeiter*innen ist notwendig, um Vertrauensverhältnisse und Arbeitsbeziehungen zu schützen! Wir setzen uns ein für die Reform des §53 StPO.
Seit den 1970er Jahren wird der Mehrzahl der in Deutschland arbeitenden Sozialarbeiter*innen ein notwendiges Zeugnisverweigerungsrecht verwehrt. Lediglich Mitarbeiter*innen der Suchthilfe/-beratung sowie der Schwangerschafts- und Konfliktberatungsstellen und deren „Berufshelfer*innen“ steht ein solches zu. Dies führt in der Arbeit immer wieder zu unzumutbaren Konflikten, die ein von Vertrauen geprägtes Arbeiten erschweren oder sogar verhindern. Besonders betrifft dies Soziale Arbeit mit Adressat*innen, die ein hohes Sicherheitsbedürfnis besitzen, die sich durch Skepsis gegenüber staatlichen Akteur*innen auszeichnen oder die häufig Ziel polizeilicher Ermittlungsarbeit sind.
Deshalb haben sich in den letzten Jahren verschiedene Träger und Akteur*innen der Sozialen Arbeit zusammengeschlossen, um sich für ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. §53 StPO einzusetzen. Im „Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht“ vertreten sind vielfältige Arbeitsfelder, wie bspw. Fußball-Fanprojekte, Streetwork/Mobile Jugendarbeit, Offene Kinder- und Jugendarbeit, Opferberatungen für Betroffene rechter Gewalt, Ausstiegshilfen aus extrem rechten Kontexten aber auch Gewerkschaften.
Das gemeinsame Ziel bleibt dabei, die Etablierung des Zeugnisverweigerungsrechts, um die damit einhergehenden Unsicherheiten bei Sozialarbeiter*innen und deren Klient*innen sowie weitere Hindernisse für die Arbeit zu beseitigen. Wir unterstützen das „Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht“ aktiv beim Erreichen dieses gemeinsamen Ziels.
Aufruf zur Einsendung anonymisierter Fallbeispiele im Zusammenhang mit dem Zeugnisverweigerungsrecht
Die Diskussion um ein Zeugnisverweigerungsrecht ist im politischen Berlin angekommen. Dieser Eindruck verfestigte sich in Folge von - wenn auch vorsichtigen - Signalen aus politischen Kreisen: die Notwendigkeit einer Erweiterung des §53 StPO (Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger*innen) wird zunehmend ernst genommen. Davon zeugt auch ein Antrag der sächsischen Regierungsfraktionen zum Thema, mit dem die Landesregierung im März diesen Jahres beauftragt wurde, sich auf Bundesebene für ein Zeugnisverweigerungsrecht für staatlich anerkannte Sozialarbeiter*innen einzusetzen.
Um die Bemühungen auf politischer Ebene weiter zu befördern, braucht es unbedingt weitere Fallbeispiele aus der Praxis, die die Problematiken aufgrund der aktuellen Rechtslage belegen. Diese sollen dazu dienen, in Gesprächen mit Politiker*innen die Notwendigkeit eines Zeugnisverweigerungsrechts für Sozialarbeiter*innen weiter zu verdeutlichen. Hier benötigt es eine gewisse Bandbreite an Fällen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit. Gleichzeitig bieten konkrete Fälle die Möglichkeit, ein Verständnis für oft fachfremde Personen zu wecken und differenzierte inhaltliche Begründungen für ein Zeugnisverweigerungsrecht zu liefern.
Wir unterstützen den Call for cases des Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht, welches Mitarbeiter*innen in der Sozialen Arbeit dazu aufruft, Beispiele einzusenden, in denen
a) eine Vorladung zur Zeugenaussage im Auftrag der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht erfolgt und diese abgewendet werden konnte, oder
b) eine Zeugenaussage erfolgen musste und nicht abgewendet werden konnte.
Von besonderem Interesse sind dabei die Auswirkungen auf die Beziehungen zu Klient*innen/Adressat*innen, die Auswirkungen auf die eigene Tätigkeit bzw. das betroffene Projekt sowie mögliche Auswirkungen auf den eigenen Lebensbereich.
Das Bündnis für Zeugnisverweigerungsrecht macht darauf aufmerksam, dass eine Anonymisierung der Fälle zwingend erforderlich ist. Besonders bei noch laufenden Verfahren oder solchen, die auch nach Jahren (wieder) aufgenommen werden könnten ist im Besonderen zu prüfen, inwiefern eine Rückverfolgung möglich sein könnte. Für eine sichere Kontaktaufnahme mit dem BfZ gibt es die Möglichkeit den Mailverkehr zu verschlüsseln (PGP-Schlüssel unter: https://www.zeugnis-verweigern.de/kontakt/#pgp), anonyme Mails (sog. Wegwerf-Mails) zu nutzen oder den Fall mittels PrivNote (https://privnote.com/) zu übermitteln. Der jeweilige Übertragungsweg ist letztlich immer von der Brisanz des Falles abhängig.
Weitere Informationen und Kontaktadressen unter https://www.zeugnis-verweigern.de/2023/03/08/call-for-cases/
Allgemeine Informationen zum Thema und zur Arbeit des BfZ unter https://www.zeugnis-verweigern.de/ oder https://www.zeugnis-verweigern.de/wp-content/uploads/2021/11/Flyer-Zeugnisverweigerungsrecht.pdf